Unternehmensbewertung Ertragswert

Das Ertragswertverfahren dient der Ermittlung des Wertes von Renditeobjekten durch Berechnung der kapitalisierten Erträge, die mit diesen Objekten voraussichtlich erwirtschaftet werden (Ertragswert = Barwert der zukünftigen Überschüsse aus Einnahmen und Ausgaben). Es wird insbesondere bei der Bewertung eines Unternehmens oder eines vermieteten bzw. verpachteten Grundstückes angewendet.

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Ertragswertverfahren im Immobilienbereich

Das Ertragswertverfahren kommt insbesondere bei Grundstücken in Betracht, bei denen der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung am Markt im Vordergrund steht, zum Beispiel:

  • Mietwohngrundstücke (Mehrfamilienhäuser)
  • Geschäftsgrundstücke (Büro- und Geschäftshäuser, Einkaufszentren)
  • Gemischt genutzte Grundstücke

Nicht in Frage für das Ertragswertverfahren kommen selbst genutzte Wohngrundstücke bzw. -immobilien wie z. B. Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen, deren Wert im Regelfall im Vergleichswertverfahren (ggf. ergänzend im Sachwertverfahren) zu ermitteln ist. Ebenfalls nicht im Ertragswertverfahren zu bewerten sind sonstige nicht am (Miet-) Markt gehandelte Spezialimmobilien, wie z. B. spezielle Produktionsanlagen, Infrastruktureinrichtungen wie z. B. Bahnhöfe, kulturelle Immobilien und militärisch genutzte Grundstücke.

Deutsches Ertragswertverfahren

In Deutschland vorherrschend ist das in der Wertermittlungsverordnung (§§ 15 bis 20) und den Wertermittlungsrichtlinien normierte und detailliert beschriebene Ertragswertverfahren. Hierbei wird zunächst der Wert des Grund und Boden ermittelt, was im Regelfall im Vergleichswertverfahren erfolgt, wobei wertbeeinflussende Umstände wie z. B. dingliche Rechte angemessen zu berücksichtigen sind. Anschließend wird über die Größe, Qualität, Ausstattung, Marktgängigkeit etc. der Mietflächen eine nachhaltig zu erzielende Miete ermittelt. Soweit die aktuelle Miete darüber oder darunter liegt, kann dies durch (ggf. kapitalisierte) Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden.

Die pro Jahr erzielbare Summe aller Erträge (neben den Mieten können auch andere Erträge Einfluss haben) ergibt den Jahresrohertrag (Gross Operating Income). Hiervon abzuziehen ist der nicht umlegbare Anteil der Bewirtschaftungskosten: Betriebskosten, Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis (uneinbringliche Mietrückstände im Sinne von Forderungsverlusten, dauerhafter Leerstand ist an anderer Stelle wie z. B. dem Rohertrag oder als Risikozuschlag beim Liegenschatfszins abzubilden). Es ergibt sich der Reinertrag vor Abzug der Bodenwertverzinsung, also der faktisch dem Eigentümer aus dem Objekt zur Verfügung stehende Kapitalfluss (Net Operating Income).

Der eingangs ermittelte Bodenwert wird mit dem Liegenschaftszins, welcher von den Gutachterausschüssen empirisch ermittelt wird, multipliziert. Die Höhe des Liegenschaftszinses ist abhängig von der Lage (Region/Stadt/Straße) und Nutzung des Grundstückes. Dabei ist der vorgeschlagene Wert vor der Anwendung ggfs. objektindividuell anzupassen, d. h. von einer unkritischen Übernahme ist abzuraten. Das Ergebnis der Multiplikation ist die Bodenwertverzinsung, welche vom ermittelten Reinertrag vor Bodenwertverzinsung abzuziehen ist. Es ergibt sich der Reinertrag. Diese Vorgehensweise spiegelt die in der deutschen Bewertungspraxis vorgenommene (fiktive) Trennung von Grund und Boden einerseits und baulichen Anlagen andererseits als eigenständige Wirtschaftsgüter wider, was im Übrigen mit der Bilanzierungspraxis korrespondiert.

Da die Nutzbarkeit von Gebäuden endlich ist, gilt es zu ermitteln, wie lange das Gebäude wirtschaftlich (nicht technisch) nutzbar ist. Hier bieten die NHK 2000 und die Fachliteratur nützliche Hinweise, wobei anzumerken ist, dass z. B. die oft zitierten 60-80 Jahre Gesamtnutzungsdauer für Bürogebäude aus heutiger Sicht recht lang sind. Gesamtnutzungsdauer minus Alter ergibt die Restnutzungsdauer, die ggf. aufgrund von Sanierungen verlängert werden kann (auch hierzu hält die Fachliteratur Hinweise bereit). Finanzmathematisch wird der Reinertrag als konstante Zahlung über einen begrenzten Zeitraum angesehen und kann daher kapitalisiert werden. Der so genannte Wertfaktor oder auch Vervielfältiger wird aus der Restnutzungsdauer und dem Liegenschaftszins (LZ) abgeleitet, wobei der LZ das Risiko darstellt, dem die zukünftigen Zahlungsflüsse unterliegen. Die Ableitung der Wertfaktors erfolgt finanzmathematisch oder anhand der in der WertR enthaltenen Tabelle. Die Multiplikation des Reinertrags mit dem Wertfaktor ergibt den Ertragswert der baulichen Anlagen, welcher ggf. um wertbeeinflussende Umstände wie z. B. Instandhaltungsstau zu korrigieren ist. Der Wert der baulichen Anlagen plus der Wert des Grund und Boden ergibt den Ertragswert des bebauten Grundstücks.

Im deutschen Raum gelegentlich anzutreffen ist auch das vereinfachte Ertragswertverfahren, welches den Bodenwert und die Bodenwertverzinsung außer Acht lässt, also letztlich nur die baulichen Anlagen betrachtet, ähnlich dem (Income Approach) in vielen englischsprachigen Ländern. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass in der kommenden Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) der Begriff vereinfachtes Ertragswertverfahren neu definiert wird. In diesem Verfahren wird der Bodenwert des Grundstückes als abgezinster Bodenwert Bestandteil des Ertragswertes (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 ImmoWertV). Für eine erste Annäherung an den Wert eines Grundstücks ist es auch üblich, den Rohertrag mit einem Multiplikator zu vervielfältigen. Das Ergebnis ist allerdings tendenziell ungenau, wenn nicht durch langjährige Erfahrung des Schätzenden geübt, und wird deshalb auch abfällig als „Maklerverfahren“ bezeichnet. Zudem ist das Ergebnis weniger transparent als ein im Ertragswertverfahren ermittelter Wert, bei dem die Werttreiber nachvollziehbar abgeleitet werden.

Internationale Ertragswertverfahren

Im internationalen Raum dominieren die angelsächsischen Spielarten des Ertragswertverfahrens. Diese gewinnen im Zuge der Globalisierung auch in Deutschland an Raum. Der grundsätzliche Unterschied besteht darin, dass der Wert des bebauten Grundstücks nur aus den Gebäuden abgeleitet wird, letztlich werden Mietverträge bewertet. Gegenüber den deutschen Verfahren bietet dies sowohl Vor- als auch Nachteile.

Das am Weitesten verbreitete Verfahren ist dabei die Investment Method oder auch Income Approach. Kurz gefasst werden dabei die dauerhaft erzielbaren Reinerträge aus den Gebäuden abgeleitet (ähnlich wie im deutschen Verfahren, allerdings werden im angelsächsischen Raum je nach Gestaltung eines Mietvertrags wesentlich mehr Bewirtschaftungskosten umgelegt) und als ewige Rente kapitalisiert, d. h. die Restnutzungsdauer wird theoretisch als unendlich angesehen. Dies ist bei Gebäuden mit hoher Restnutzungsdauer unproblematisch, da der Barwert der Erträge spätestens ab dem 30. Jahr gen Null tendiert. Die Abzinsung erfolgt finanzmathematisch mit dem yield, d. h. einem Zinsfuß, welcher neben dem Risiko der zukünftigen Einnahmen (meist nutzungsabhängig) auch lage- und gebäudebedingte Einflüsse sowie die Inflation abbildet. Die Ableitung ist bisweilen recht intransparent.

International auf dem Vormarsch ist das DCF-Verfahren (discounted cash flow). Hier werden (bei grundsätzlich gleichem Vorgehen) die Zahlungsflüsse im Nahzeitraum je Periode (Jahr) einzeln ermittelt und erst mittel- bis langfristig als konstant unterstellt. Vorteil dieses Vorgehens ist die detaillierte Betrachtung der jeweiligen Periode, z. B. zur Abbildung bevorstehender Investitionen etc. Anschließend werden die Zahlungsströme der Perioden auf den Bewertungsstichtag abgezinst, wobei die Ableitung des Diskontierungszinses ebenfalls kompliziert und tendenziell intransparent ist.

Je nach Land bestehen weitere Spielarten. Die internationalen Verfahren werden durch die jeweiligen Verbände wie z. B. die RICS kodifiziert (Red Book, Guide Bleu, etc.).

Unternehmensbewertungen

IDW S1 – Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (Deutschland)

Gemäß Unternehmensbewertungsstandard IDW S1 ermittelt sich der Unternehmenswert beim Ertragswertverfahren durch Diskontierung der den Unternehmenseignern zufließenden finanziellen Überschüsse.

Der Kapitalisierungszinssatz besteht aus einem Basiszinssatz einer Alternativanlage (quasi-risikofreie Kapitalmarktanlage) und es wird ein Risikozuschlag vorgenommen und persönliche Ertragsteuern werden berücksichtigt. Die persönlichen Ertragsteuern werden mit einem typisierten Zinssatz von 25 % (Abgeltungssteuer) angenommen.

KFS BW 1 – Fachgutachten zur Unternehmensbewertung (Österreich)

Das Fachgutachten KFS BW 1 wurde von der Kammer für Wirtschaftstreuhänder herausgegeben. Der Unternehmenswert ermittelt sich im Ertragswertverfahren durch Kapitalisierung der Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner.

Der Kapitalisierungszinssatz ist davon abhängig ob ein objektivierter oder ein subjektiver Unternehmenswert errechnet werden soll.

Bei der Berechnung eines subjektiven Unternehmenswerts wird auf die speziellen individuell bestimmten Verhältnisse beim Bewertungssubjekt (Investor) verwiesen.

Bei der Berechnung eines objektivierten Unternehmenswerts ist die Rendite einer Alternativanlage heranzuziehen. Dabei ist auf die Laufzeit-, Risiko- und Verfügbarkeitsäquivalenz zwischen Alternativanlage und Bewertungsobjekt zu achten. Ausgangsgröße für die Bestimmung der Verzinsung der Alternativanlage ist ein Aktienportefeuille (Basiszinssatz). Damit unterscheidet sich das KFS BW 1 grundsätzlich von seinem deutschen Pendant (IDW S1). Der Basiszinssatz ist um einen marktorientierten Risikozuschlag zu erhöhen und um einen Wachstumsabschlag zu vermindern. Ertragssteuern müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Schweizer Ertragswertverfahren für Unternehmen

Bewertungsbasis

Der Ertragswert geht vom Gedanken aus, dass ein Unternehmen eine Investition ist und sich dessen Wert aus dem erzielbaren Ertrag und der Renditeerwartung ableiten lässt. Alternativ könnte sich ein potentieller Nachfolger überlegen, das Geld in gut rentierende Wertpapiere anzulegen. Wie diese muss auch der investierte Unternehmenspreis genügend Erträgnisse in Form der zukünftig erwirtschafteten Gewinne abwerfen. Entscheidend ist deshalb die zukünftige Ertragskraft, welche auf Basis eines Budgets über einen Zeitraum von 2 bis 5 Jahren geschätzt wird. Aus dieser kann der Nachfolger aus den Erträgen nicht nur die im Unternehmen erforderlichen Investitionen, sondern auch die Zins- und Amortisationszahlungen (Kapitaldienst) aus der Übernahme der Unternehmung finanzieren. Die Betriebssubstanz ist dabei lediglich Mittel zur Zweckerreichung; nämlich zur Erzielung des Betriebsertrages und bleibt unberücksichtigt. Hingegen wird die nicht betriebsnotwendige Substanz separat bewertet und zum Ertragswert addiert.

Berechnung

Bei der reinen Ertragswertmethode errechnet sich der Unternehmenswert U nach folgender Formel:

 U = \frac{\mathrm{Betriebsertrag} \cdot 100}{\lambda}

wobei Betriebsertrag den durchschnittlichern, bereinigten Betriebsertrag und λ den Kapitalisierungszinsfuß bezeichnet.

Herleitung: der Ertragswert entspricht der Summe, die als Bankguthaben bei gleicher Verzinsung den gleichen Ertrag bringen würde.

Die Schätzung der zukünftigen Erträge beruht somit auf dem durchschnittlichen bereinigten Betriebsertrag i. d. R. der vergangenen drei Jahre. Bei dessen Ermittlung werden die Jahresergebnisse hinsichtlich betriebsfremder, periodenfremder und außerordentlicher Aufwendungen und Erträge sowie mit einem objektivierten Unternehmerlohn bereinigt.

Der Kapitalisierungszinsfuß λ berechnet sich wie folgt, wobei die entsprechenden Zahlen in konkreten Situation variieren können und hier nur grobe Beispielwerte darstellen:

  1. Risikoloser Zinssatz für Bundesobligationen: 3 %
  2. Immobilitätszuschlag: 2,5 %
  3. Abzug für Inflationsschutz: – 0,5 %
  4. Risikozuschlag: 5 %

ergibt in diesem Fall als Summe den Kapitalisierungszinssatz λ = 10 %

Bei der Ertragswertmethode liegt die Schwierigkeit in der Regel bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes, da dieser sich maßgeblich auf die Höhe des Unternehmenswertes auswirkt. Jener hängt im konkreten Fall von der Höhe der jeweiligen Risikobeurteilung sowie der Annahme über die künftige Zins- und Inflationsentwicklung ab. Die Bestimmung des Risikozuschlages wird beeinflusst von Faktoren wie der Genauigkeit der Ermittlung der zukünftigen Überschüsse (Gewinnschwankungen), der Finanzierungsstruktur des Unternehmens, der Rechtsform, der Branche, den Konkurrenzverhältnissen, der internen vom Übergeber unabhängigen Organisationsstruktur, der Unternehmenskultur und der Wiederverkäuflichkeit.

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